Soziale Stabilität und Nachhaltigkeit in der benediktinischen Tradition – das Regelwerk des Hl. Benedikt

Vortrag von Prior Dr. Mauritius Wilde OSB (Rom)


Der Vortrag von Dr. Mauritius Wilde, ehemaliger Leiter des Vier-Türme-Verlags in Münsterschwarzach und seit Dezember 2016 Prior in Sant‘ Anselmo des Benediktiner-Ordens in Rom war der vierte Vortrag in der Reihe: ‚Mensch und Schöpfung‘. Aus der Perspektive eines benediktischen Mönchs mit langjähriger Erfahrung in der Seelsorge und in der Leitung einer internationalen Glaubensgemeinschaft, befasste sich Pater Mauritius mit der Frage der Stabilität in der Gesellschaft am Beispiel der benediktinischen Regel.

Klosterleben – Eine Insel fernab der Welt?

In einer Zeit, die geprägt ist durch soziale und politische Umbrüche, in der die Welt scheinbar aus den Fugen gerät, erscheint das Leben in einem Kloster wie eine ruhige, erstrebenswerte Insel, abgeschlossen und umgeben von Klostermauern. Doch auch hier kann und – soll man nicht – der Welt und ihren Problemen entfliehen, denn jeder trägt sein Stückchen Welt auch in die Klostermauern hinein.

Stabilität (Stabilitas) vermitteln im Zusammenleben der Mönche die Regeln des Hl. Benedikt, die seit über 1500 Jahren für das Leben der Mönche Gültigkeit haben. Diese Regeln gilt es zu verinnerlichen und immer wieder den heutigen Bedürfnissen anzupassen.

Die Regeln des Hl. Benedikt als Richtlinien

Geprägt ist das benediktinische Regelwerks durch die Antipode: Stabilität und Dynamik, Hierarchie und Demokratie, Achtsamkeit gegenüber Besitz und Verzicht auf Luxus und Überfluss. Wichtig sind sowohl die Halt gebenden Regeln, aber auch das Eingehen auf die Bedürfnisse des einzelnen. Jeder soll das erhalten, was er braucht.

In der Gemeinschaft sollen die Älteren die Jüngeren lieben und Jüngeren wiederum die Älteren achten und ehren. Einendes Element ist für alle die kollektive Erinnerung an eine gemeinsame Geschichte und die Einbindung der Vorfahren. So wie ein über die Jahrhunderte gewachsener Baum braucht es ein starkes Wurzelwerk, einen kräftigen Stamm sowie bewegliche Äste. Nur so ist gleichzeitig Stabilität und Bewegung möglich.

Richtig verstandene stabilitas bedingt auf der anderen Seite conversatio, Umkehr. Dies ist insbesondere dann notwendig, wenn es Unstimmigkeiten oder Zwistigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich zu lösen gilt. Nach der benediktinischen Regel sollte man jedoch „vor Sonnenuntergang“ Frieden schließen.

Vegetarische Kost und ökologische Nachhaltigkeit

Ein eigenes Kapitel widmet Benedikt dem Mass der Speisen. Die Benediktiner sind angehalten, auf Fleisch zu verzichten. Das hat vor allem einen spirituellen Grund: Fleisch essen belastet und erschwert die geistige Durchlässigkeit für das Wort Gottes. Dennoch wird nicht in jedem Kloster vollständig auf Fleisch verzichtet.

Ein achtsamer und guter Umgang mit Natur und Umgebung gehört ebenfalls zum benediktinschen Lebensstil. Die Natur darf nicht ausgebeutet werden. So ist es ein schöner Brauch bei der Apfelernte, stets einige Äpfel für die Vögel hängen zu lassen und sich damit daran zu erinnern, dass auch die Tiere ihren Teil benötigen. Die Benediktiner sind stolz auf ihr Land und ihre Landwirtschaft, denn sie erhalten „keinen Cent von der Kirchensteuer“, betont Wilde. Denn dadurch sind sie unabhängig und eigenständig in ihren Entscheidungen.

„Wir müssen die Welt nicht retten“

Die Benediktiner nehmen ihren Auftrag in der Welt in vielfacher Weise wahr, indem sie insbesondere durch das Gebet Anteil am politischen und gesellschaftlichen Leben nehmen. Weiterhin gibt es viele Schulen, die nach bendektinischen Regeln leben.

Das Beten und Arbeiten – orare et laborare – gilt auch heute noch. Es gibt Halt, Struktur und Gottvertrauen; es erinnert täglich, dass wir alle auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind.

Dr. Stephan Seiler

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