Mathias Faller öffnet die Augen für den Lebensraum Streuobstwiese
„Jedes Auffinden eines Wesens, das als ausgestorben galt,
jede Wiederentdeckung eines vergessen geglaubten Klangs
ist wie die Entdeckung eines weiteren Pinselstrichs
auf der Leinwand eines stark beschädigten Gemäldes,
ein Satz aus einer vergessenen Geschichte,
der Erinnerungen weckt.“
Aus dem Buch: Vom Verstummen der Welt (M. Robischon, 2012)
Um etwas zu entdecken und zu lernen, muss man nicht weit fahren. Etwa 15 Gehminuten von der Buchenbacher Grundschule entfernt, liegt die Streuobstwiese des NABU-Dreisamtal, unmittelbar beim Maierhof im schönen Wiesneckgelände Buchenbach gelegen. Manch einer der Kinder und Erwachsenen war schon viele Male dort vorbei gelaufen, aber tatsächlich verbarg sich auf einer Pferdekoppel am Bach eine ungeheure Biodiversität und gleichzeitig ein „Abenteuerspielplatz“ für Groß und Klein.
Zusammen mit dem Diplom-Geologen Mathias Faller – bekannt auch als Erfinder des sog. Geowindows – organsierte die Musella-Stiftung an zwei Montagvormittagen ein Projekt für Schulkinder mit dem Ziel, Biodiversität auf kleinstem Raum zu zeigen und auf die Welt als Schöpfung aufmerksam zu machen. Natur einmal ganz direkt zum Wahrnehmen mit allen Sinnen. Dazu gehörte gleich zu Beginn, sich einmal – zwar auf Jacken und Isomatten – auf das teilweise noch feuchte Gras und den matschigen Boden zu setzen, die Rinde der Bäume zu ertasten und sich die Hände schmutzig zu machen. Außerdem gab es jede Menge Arbeit: mit Hilfe einer mindestens hundert Jahre alten Handpresse wurde Apfelsaft zum sofortigen Verzehr gepresst. Dieser schmeckte tatsächlich viel besser als die häufig gekaufte Apfelsaftschorle aus dem Discounter. Dieses Fooddesign-Getränk wird aus billigem Apfelsaftkonzentrat zusammengemischt, welches häufig aus China stammt. Außerdem konnten kleine Kunstwerke der Natur wie Insekten und ihre Behausungen, Federn oder Früchte unter einem Mikroskop genau unter die Lupe genommen werden.
Schnell wurde deutlich, dass es Mathias Faller ein Herzensanliegen ist, insbesondere Kindern und Jugendlichen die Vielfalt unseres Planeten Erde näher zu bringen. Es gehe einfach nicht, dass Apfelsaftschorle aus China, die einmal um die halbe Welt geschifft wurde, billiger ist als einheimischer echter Apfelsaft. Obwohl der Geschmack schlecht ist, ziehen wir die vermeindlich leckere Softschorle dem gesunden, regionalen Saft vor. Durch diese Konsumentscheidung wurden seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts viele Quadratkilometer Streuobstwiese vernichtet, da sich die Bewirtschaftungsart für die Landwirte nicht mehr lohnt. Der Apfelanbau in China, das Herstellen des Saftkonzentrates und der Transport nach Europa schädigen den Planeten durch unkontrollierten Einsatz von Pestiziden und Energie für Herstellung und Transport. Eine katastrophale CO2-Bilanz des Nahrungsmittels „Saftschorle“ schädigt aber nicht nur die Umwelt im fernen China! …denn wenn die Streuobstwiesen verschwinden, verschwinden mit ihr auch viele Insekten, Vögel und Nagetiere, die ihren Unterschlupf in den Baumhöhlen direkt vor unserer Haustüre finden.
Ganze Landstriche verändern sich, werden zu Monokulturen und damit als Lebensraum für Tiere uninteressant. Und sind wir einmal ehrlich: für uns Menschen auch! Das Leben hier auf der Erde ist doch viel interessanter, wenn man ab und zu noch den Ruf des Steinkauzes vernimmt… Es gibt also noch viel zu tun, beginnen lässt sich auf kleinstem Raum direkt vor der Haustüre!
Mathias Faller, Dr. Marianna Musella