Bereits die Musella-Stiftung beschäftigte sich intensiv mit der Rettung verwaister und verletzter Singvögel. Seit dem Jahr 2020 etabliert sich durch das Musella-Institut ein stetig wachsendes Netzwerk, welches sich die Rettung und Versorgung sowohl hilfsbedürftiger Wildtiere als auch Vögel zur Aufgabe gemacht hat. Auch im Jahr 2022 konnten neue Fortschritte erzielt werden.
Das Wildtier- und Artenschutznetzwerk bündelt und koordiniert den Einsatz von zahlreichen unterschiedlichen Organisationen und von verschiedenen Ehrenamtlichen, die seit Jahren und Jahrzehnten ihren Einsatz in diesem Bereich leisten. Als Arbeitsthemen sind vorrangig die Singvogelrettung, die Greifvogelrettung und die Wildtierrettung im Allgemeinen sowie die Igelrettung und die Rehkitzrettung im Speziellen zu nennen:
Singvögel:
Entgegen oder vielleicht gerade wegen dramatischer Meldungen vom Rückgang der Vogelwelt landen immer mehr Vögel verschiedener Arten, die der Pflege und Aufzucht bedürfen, bei der von dem Musella-Institut geförderten Pflegestelle in Titisee-Neustadt, die im Jahr 2022 insgesamt 30 Singvögel, 6 Mauersegler und 3 Rabenvögel bei sich aufnahm, und bei unserer Pflegestation „Spatzengezwitscher“ im Dreisamtal, die insgesamt 15 Singvögel betreut hat. Hinzukommt ein sehr hohes Maß an telephonischen Beratungen, bei denen Findern fachlich weitergeholfen werden konnte, welches weitere Vorgehen für die in Not geratenen Tiere sinnvoll ist.
An dieser Stelle sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß es sich bei den letzt genannten Notfällen vielfach um Vögel handelt, die in Folge eines Zusammenpralls mit einer Glasscheibe Schaden nehmen oder sogar versterben („Vogelschlag“). Der NABU spricht an dieser Stelle nach aktuellen Schätzungen sogar von 100 bis 115 Millionen Singvögeln, die eine Kollision mit Glasscheiben von Wohnhäusern, Hochhäusern und Wartehäuschen nicht überleben. Ein schwerwiegendes Problem, besonders in Zeiten des generellen Bestandsrückgangs von Singvögeln, dem mit einfachen Mitteln wie etwa einer entsprechenden Beklebung der Glasflächen abgeholfen werden könnte.
Zudem ist erneut das Thema der „Ästlinge“ anzusprechen: Nicht jeder Vogel, der scheinbar verlassen auf dem Boden sitzt, ist hilfsbedürftig, insbesondere dann nicht, wenn er schon befiedert ist und möglicherweise noch von seinen Eltern gefüttert wird. Viele Jungvögel, wie etwa Amseln, hüpfen und rennen – selbst wenn sie äußerlich ausgewachsen scheinen – ihren Eltern laut schreiend hinterher. Sie werden weiterhin von ihren Eltern gestopft. Sobald jedoch der Mensch eingreift, besteht die Gefahr, dass sich die Vogeleltern abwenden und das Junge jämmerlich verhungert. Warten Sie daher ab, ob nicht aufgeregte Elterntiere irgendwo versteckt sitzen und ihren Schützling beobachten.
Anzumerken ist, daß nicht alle Schützlinge auf den Pflegestellen überleben, manche sind einfach schon zu geschwächt, da sie unterkühlt und zu lange ohne Nahrung waren oder eben sehr schwere Verletzungen haben. Die meisten Vogelkinder in unserer Obhut schaffen es aber: Entscheidend ist das richtige Futter (an der Schnabelform erkennt man, ob es sich um einen Insekten- oder Körnerfresser handelt), genügend Wärme, Geduld und genaue Beobachtung.
Greifvögel:
Für die Greifvogelrettung stehen dem Institut weiterhin vorrangig ein auf dieses Gebiet spezialisierter Tierarzt und zwei Falknereien zur Verfügung, die sich um pflegebedürftige Jungtiere sowie um verletzte adulte Tiere kümmern. So hat der Falkner Franz Ruchlak, der mit seiner Arbeit auch unseren Kooperationspartner, den Tierschutzverein Löffingen, sachkundig unterstützt, im Jahr 2022 insgesamt 38 Tiere zur Aufzucht und Pflege in seiner Falknerei aufgenommen. Hierunter sind neben Turmfalken, Mäusebussarden und Milanen, die mit Abstand zahlenmäßig am stärksten vertreten waren, auch Waldkäuze, Sperlingskäuze, Uhus, Waldohreulen und Sperber zu nennen. Von diesen Greifvögeln konnte nach Aufzucht und Therapie der Großteil wieder erfolgreich ausgewildert werden.
Für schwierige Fälle konnte eine Zusammenarbeit mit der Greifvogelstation „Berg am Irchel“ in der Schweiz begründet werden. Die von der Stiftung PanEco getragene Greifvogelstation, die im Jahr 2022 erstmalig vom Musella-Institut finanziell gefördert wurde, nahm im Rahmen ihrer Tätigkeit insgesamt 277 Vögel aus dem Kanton Zürich sowie den umliegenden Kantonen auf, von denen 177 bis zum Jahresende erfolgreich wieder ausgewildert werden konnten. 21 Greifvögel waren zum Jahreswechsel noch auf der Station untergebracht. Die am stärksten vertretenen Greifvogelarten stellten hierbei Mäusebussarde, Turmfalken, Rotmilane, Waldkäuze und Sperber dar.
Die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer des Instituts sehen die sachkundige Bergung sowie den Transport der Tiere zum Tierarzt und anschließend zur Falknerei bzw. dem Tierarzt als ihre Kernaufgabe an.
Wildtiere:
Neben den Sing- und Greifvögeln liegt der weitere Schwerpunkt des Projektes auf den Wildtieren im Allgemeinen. Neben den Spezialfeldern „Igelrettung“ und Rehkitzrettung“, die weiteren Verlauf noch ausführlicher vorgestellt werden, versuchen das Institut und die kooperierenden Organisationen sowie Ehrenamtlichen generell in Not geratenen Wildtieren zu helfen. So wurden verschiedenste Wildtiere, unter denen vier Eichhörnchen, ein Mauerwiesel, ein Marder, 11 Siebenschläfer, zwei Gartenschläfer, ein Feldhase und 5 Haselmäuse zu nennen sind, auf von dem Musella-Institut geförderten Pflegestellen aufgezogen und gesund gepflegt. Im Jahr 2022 konnte zudem, nachdem bereits im Jahr 2021 ein Freiburger Förster für das Wildtier- und Artenschutznetzwerk gewonnen werden konnte, ein weiterer Förster aus dem Landkreis Emmendingen als fachkundige und tatkräftige Unterstützung ins Netzwerk aufgenommen werden.
Igel:
Wie schon in den vergangen Jahren hat das Leid dieser sympathischen Lebewesen auch im Jahr 2022 in keiner Weise abgenommen. Neben dem Klimawandel geschuldeten langen Trockenperioden und starken Wetterschwankungen, durch welche viele Igel entweder zu spät in den Winterschlaf gehen oder aber bereits viel zu früh aus diesem erwachen, sorgt auch das Insektensterben durch eine signifikante Nahrungsverknappung für gravierende Probleme. Daher werden zunehmend kurz vor Wintereinbruch Igel gefunden, die nicht das für den Winterschlaf benötigte Körpergewicht aufweisen. Als Richtwert sind hier etwa 800 Gramm in den Höhenlagen des Schwarzwalds zu nennen; den Igeln im Dreisamtal, im Elztal oder im Rheintal genügt aufgrund des kürzeren Winters bereits ein Körpergewicht von etwa 500 Gramm, um den Winterschlaf wohlbehalten zu überstehen. Zudem sorgen die Mähroboter, die sich steigender Beliebtheit bei vielen Gartenbesitzern erfreuen, ebenso wie freilaufende, unangeleinte Hunde für schwere Verletzungen bei den stacheligen Patienten.
Die Rettung dieser verletzten und unterernährten Igel konnte in den vergangenen Jahren durch die Partnerschaft mit der für Wildtiere zuständigen Pflegestelle des Tierschutzvereins Löffingen in Titisee-Neustadt sowie durch die enge Kooperation mit dem Igelnetzwerk Südbaden in erheblichem Maße ausgebaut werden, wodurch das Artenschutznetzwerk des Instituts nun Anfragen aus dem gesamten westlichen Südschwarzwald abdeckt.
Im Jahr 2022 wurden durch die Pflegestellen des Igelnetzwerks Südbaden 127 Igel versorgt und therapiert. Die Pflegestelle in Titisee-Neustadt hat 13 Igel zur Aufzucht und Pflege aufgenommen. Besonders schwere Fälle stellten dieses Jahr Igel mit äußerst starkem Parasitenbefall und erneut Tiere dar, denen aufgrund von Schnittverletzungen mit Mährobotern Gliedmaßen amputiert werden mußten, und die daher nur noch in geschützten Bereichen wieder auszuwildern sind – eine kontinuierlich wachsende Herausforderung für den Tierschutz. Insgesamt 11 Jungtiere konnten optimal auf ihren Winterschlaf vorbereitet und somit vor dem sicheren Tod gerettet werden. Die Beratung von Igelfindern, denen Hilfe zur Selbsthilfe angeboten wird, konnte weiter ausgebaut werden. So wurden in über 50 Fällen die Finder von medizinisch einfach zu betreuenden Tieren durch das Igelnetzwerk bei der Pflege sachkundig beraten, wodurch zahlreiche Igel wieder genesen in die Freiheit entlassen werden konnten.
Weiterführende Informationen:
- Flyer „Igel in Not gefunden – was tun?“ (PDF, 191 KB)
- Flyer „Ernährung“ (PDF, 186 KB)
- Flyer „Tödliche Gefahr Mähroboter“ (PDF, 129 KB)
- Flyer „Was ist täglich zu tun?“ (PDF, 128 KB)
- Flyer „Futterhaus im Garten“ (PDF, 173 KB)
Rehkitze:
Im Jahr 2022 wurde schließlich zudem die Förderung und Kooperation mit dem Wildtierschutz Dreisamtal e. V. begründet. Die Mitglieder des neu gegründeten Vereins bieten seit diesem Jahr Landwirten in St. Peter, St. Märgen, Breitnau, Hinterzarten sowie in den Gemeinden des Dreisamtals die Drohnenbefliegung ihrer Wiesen vor der Maht an, um die Verletzung und Tötung von Kitzen zu verhindern. Diese Tierschutzmaßnahme stellt eine weitere Schnittstelle des Engagements durch das Musella-Instituts dar, im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe des Südschwarzwalds ein höheres Maß von Tierschutz und Tierwohl zu etablieren.
Badische Zeitung Mi, 24. Januar 2024